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Hast Du einen Hund, der keinen Bock hat, mit anderen Hunden zu spielen? Oder gehört Dein Hund zu der Kategorie, der nicht an sich halten kann, wenn er einen potenziellen Kumpel sieht? Dann lies unbedingt diesen Artikel und erfahre, was es mit Hundespiel auf sich hat und warum das Wörtchen „nur“ beim Spiel zwischen erwachsenen Hunden nichts zu suchen hat.
Denn in diesem Artikel möchte ich Dir die Ursachen für soziales Spiel und die damit einhergehenden Herausforderungen mitteilen, damit Du Deinen Hund in Zukunft in der Interaktion besser einschätzen kannst und frühzeitig erkennst, ob Du eingreifen solltest.
Vorletzte Woche hatte ich wieder die Gelegenheit erwachsene „spielende“ Hunde zu beobachten und sie dafür zu feiern, wie gut sie die Situation gemeistert haben.
Meine Herdenschutzhündin Nayeli und ich haben an einigen Stellen „Kino-Plätze“ an denen wir fremde Hunde beobachten. Wir üben dort die Sachen, die wir für Begegnungen benötigen und wir beobachten einfach beide gerne. Spielende Hunde ruhig zu beobachten, ist nicht ganz einfach, aber so faszinierend.
Es war der Sonntagsklassiker. Zwei Familien gehen Gassi, treffen sich zufällig und ganz klar, die Gelegenheit wird genutzt, die Hunde können miteinander toben und sich auspowern. Immerhin benötigen nach landläufiger Meinung Hunde unbedingt Kontakte zu anderen Hunden.
Die Leinen straff, ein Sitz abgefragt, die Hunde sitzen sich direkt gegenüber und dann Leinen los.
Sofort ging ein wildes Gehetze los. Der eine Hund raste um die Bäume, der andere kläffend hinterher. Die Menschen amüsierten sich über den Langsamen und darüber, dass der Schnelle sich ein Spaß daraus machte.
Machen die Hunde eine Pause, werden sie sofort angefeuert, weiterzumachen. Und dann kippt es. Der langsame Hund erreicht den Schnellen in einer Kurve und zwickt ihn. Der schreit wie am Spieß, die Menschen erschrecken, befinden dann aber, dass er sich anstellt und gehen schließlich amüsiert weiter.
Nayeli ist froh. Das Zusehen war anstrengend. Denn sie hat viel mehr gesehen als wir alle. Und: Sie hat auf die Erregung und die Situation mit Anspannung reagiert. Ich habe es gemerkt, denn sie benötigte Entspannungs-Unterstützung, um mit mir auf dem Beobachtungsposten zu bleiben. Alle Sinne waren immerzu auf die anderen Hunde ausgerichtet und, als die Situation vorbei war, hat sie sich geschüttelt. Ein Stress-Symptom.
Warum ich das mit Nayeli übe? Weil, es eine gute Vorbereitung für die unerwünschten Nahkontakte ist. Und ja, die haben wir. Mit einem der beiden Hunde eine knappe Woche später, im Wald und ohne Menschen, direkt nachdem ich mir den Fuß gebrochen habe. Vielleicht hast Du es in meinen Instagram-Storys mitbekommen.
Doch warum fällt es Nayeli so schwer und, warum sind Szenen wie diese keine Seltenheit?
Der Unterschied zwischen Welpen und erwachsenen Hunden
Welpen spielen, um dabei Verhalten zu proben, Kompetenzen aufzubauen und Dinge zu lernen. Erkunden und spielen ist gefährlich. Nicht selten sterben Wildtiere genau bei diesen Aktivitäten, weil Beutegreifer in ihnen ein leichtes Opfer haben.
Allein, dass die Natur dieses Risiko eingeht, zeigt uns, dass es einen wichtigen Grund geben muss. Beim Spielen sprießen die Synapsen im Welpengehirn, der Welpe entwickelt Sozialkompetenz, übt angeborene Verhaltensmuster, wie das Beutefangverhalten und bildet dabei die motorischen Fähigkeiten aus.
In der Jugendentwicklung und mit Einsetzen der Geschlechtsreife ändert sich das Spiel jedoch. Die Fähigkeiten sind ausgebildet und geübt. Je nach Hund wird das Spielen weniger, verändert sich oder verschwindet vollständig.
Spiel zwischen Hunden ist eine Strategie
Erwachsene Hunde spielen miteinander, um Konflikte zu lösen, Beziehungen zu klären und zu intensivieren und Strukturen in Gruppen festzulegen. Spielen ist dabei eine Strategie, die ohne Aggressionsverhalten auskommt und damit für eine Hundegruppe die Risiken im Zusammenleben minimiert.
Im Spiel werden untereinander Grenzen gesetzt und kennengelernt, der andere wird kennengelernt und getestet. Die Kommunikation miteinander wird verfeinert und auch die eine oder andere Diskussion über Ressourcen und das Miteinander geführt.
Soziales Spiel ist dafür da, das Miteinander zu gestalten und gemeinsame Herausforderungen zu überwinden, ohne aneinander zu rasseln.
Spiel zwischen Hunden ist komplexe Kommunikation, die viel Energie kostet.
Es muss permanent gecheckt werden, wie weit man noch gehen darf, ob der andere einem darüber hinaus wohlgesonnen ist und, wie es im Miteinander aussieht.
Du erkennst das an immer wieder stattfindenden kleinen Pausen oder wechseln der Rollen.
Doch, wenn die Energie der Hunde ermüdet, wenn das Spiel für einen der Hunde frustrierend ist oder einer der Hunde in der Spiel-Strategie nicht so bewandert ist, kann das Spiel kippen und dann wird es ruckzuck zu einer unangenehmen Erfahrung.
Spiel muss daher aufmerksam beobachtet und eventuell über Entspannung und eingeleitete Pausen unterstützt werden.
Nicht alle erwachsene Hunde spielen als Kommunikations-Strategie
Spielen ist ein Verhalten. Verhalten bleibt nur bestehen, wenn es sich für das Individuum lohnt. Es muss also einen Nutzen haben, Bedürfnisse erfüllen oder zur Bedürfniserfüllung dienen und den Hund an ein Ziel bringen.
Wenn ein Hund in der Jugendentwicklung und im erwachsenen Alter mit sozialem Spiel keine schönen Erfahrungen sammelt, rostet es ein und wird immer weniger, verschwindet vielleicht sogar ganz. Das Gleiche gilt, wenn Spiel mit unangenehmen Erfahrungen verknüpft wird.
Führt Spielverhalten nicht zu Wohlbefinden und Erfolg, wird es weniger!
Angst hemmt Spiel und, wenn Hunden Sicherheit fehlt, ist Spiel auch eher unwahrscheinlich. Sehen wir bei Hunden Verhaltensweisen, die an Spiel erinnern, wenn sie unsicher oder ängstlich sind, so handelt es sich meist um Übersprungverhalten und Kompensation. Besonders häufig kann man das bei Hunden sehen, die auf einen bestimmten Teil der Beutefangsequenz selektiert wurden.
Spiel ist ein Ventil – primär für Frustknubbel
Hat einer der Hunde aufgestauten Frust, entlädt der sich nicht selten im vermeintlichen Spiel. Der Dampf entweicht und die Anwesenden sind die Leidtragenden.
Es wird gejagt, geschubst, gemobbt. Nicht, weil der Hund sozial inkompetent ist, sondern, weil etwas Aufgestautes sich entlädt.
Der Frust kann aus anderen Hundebegegnungen, nicht ausgelebten jagdlichen Bedürfnissen, fehlender Freiheit oder auch aus der Spielform der anderen stammen.
Wenn ein Hund beim gemeinsamen Rennspiel nie eine Chance hat, die anderen zu erreichen oder lieber andere Spiele spielen würde, passt es nicht und ist für ihn frustrierend.
Wir Menschen können bis zu einem gewissen Grad über strukturelle Maßnahmen dafür sorgen, dass Spiel für alle Seiten befriedigend wird und die Situation so gestalten, dass ein Miteinander wahrscheinlicher wird.
Tut-Nixe und Mit-Jedem-Spieler
Wenn fremde Hunde mit Deinem Hund spielen wollen und in Euch reinkrachen, haben sie meistens keine andere Strategie.
Sie machen es nicht aus Böswilligkeit. Sie haben einfach gelernt, auf diese Art Begegnungen zu meistern. Nicht selten ist es ein Konflikt und ihre anderen getesteten Strategien haben nicht funktioniert – vielleicht, weil sie nicht wahrgenommen wurden. Oder weil andere Hunde immer mit Erregung verknüpft wurden.
Gerade bei häufig als „distanzlos“ verschrienen Hunderassen, wie Labradoren und Golden Retrievern sieht man diese Verhalten als Stress-Reaktion. Sie biedern sich im Prinzip an, um dem anderen zu zeigen, wie liebenswert sie sind und ihn damit milde zu stimmen.
Unter diesem Stress-Level funktioniert dann der Rückruf einfach nicht mehr, sowie Du Deinen Schlüssel bei Stress nicht mehr findest, weiß dieser Hund einfach nicht mehr, was „HIEEEEEEEEEER“ bedeutet.
Meine Devise ist es, diese Situationen nicht mehr als Ärgernis zu sehen, sondern allen Beteiligten zu helfen, in dem ich möglichst viel Entspannung reingebe.
Gutes Hundespiel – schlechtes Hundespiel?
Wenn ich Kund:innen frage, welche Videos sie sich zur Verhaltensanalyse wünschen, kommen immer wieder die Bitten „Spielende Hunde – Wir wollen wissen, bis wo es Spiel ist und ab wo es keines mehr ist.“
Das Bedürfnis dahinter ist klar. Ein klarer Rahmen, eine Schablone, mit der wir urteilen können. Doch so einfach ist es nicht. Viele der einst als „Spielsignale“ bezeichneten körpersprachlichen Signale sind längst bezweifelt und selbst wenn, wir Spiel sehen, dürfen wir auf die Details achten, um zu sehen, was es für die Hunde gerade bedeutet und, welchen Lerneffekt es wohl hat.
Das wohl beste Beispiel ist der Playbow. Die Vorderkörpertiefstellung, bei der der Hund die Brust auf dem Boden und den Po in der Höhe hat. Marc Bekoff stellte einst fest, dass dieser besonders oft vor Spiel gezeigt wird. Ab da wurde er zum sogenannten „Spielbogen“. Ich lernte noch, dass es einen Unterschied macht, ob die Vorderbeine dabei eng oder weit gestellt waren. Weit sollte für Spielen stehen. Raymond Coppinger hingegen beschrieb dieselbe Haltung, als eine ideale Haltung, um in alle Richtungen durchzustarten und als Konfliktsignal.
Es ist fatal, sich an einem Signal festzubeißen und daraus Urteile zu fällen. So wie man ein Wort nicht aus dem Zusammenhang des Satzes reißen sollte. Und: Hundespiel zu bewerten geht nur, wenn man auch ein Ziel im Sinn hat. Dafür muss man jedoch verstehen, was sich hinter Spiel verbirgt und dass die Übergänge zwischen den Beweggründen fließend sind und es damit kein schwarz weiß gibt.
Hunde spielen lassen oder Spiel unterbrechen – was denkst Du?
Für mich sind es fünf wesentliche Fragen, die mir auf dem Weg zur Antwort helfen:
- Was ist das Ziel der Situation für mich? Es ist ein himmelweiter Unterschied, ob Hunde, die eine Beziehung haben oder ausbauen sollen, miteinander spielen oder komplett fremde Hunde, die sich vielleicht alle Jubeljahre mal beim Gassi begegnen. Wenn Hunde einer Gruppe miteinander spielen und ich keine Sorge habe, dass es sofort kippt, lasse ich sie. Nur, wenn ich Interaktion zulasse, können sie auch miteinander lernen. Ich unterstütze so wenig wie nötig, beobachte aber.
- Welche anderen Möglichkeiten kann es gerade geben? Das Spiel zeigt mir, dass etwas geklärt und kommuniziert werden muss. Wenn ich das stoppe, welche anderen Wege gibt es dann hier und jetzt? Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Hunde andere Strategien nutzen können oder sie aneinander geraten?
- Wie sieht das Spiel aus? Was sind die Feinheiten der Körpersprache? Wie oft sehe ich Pausen, zurücknehmen von den Beteiligten, Rollenwechsel? Je ausgewogener das Spiel, desto eher lasse ich es laufen.
- Wie gut kennen sich die Hunde? Hunde, die sich gut kennen, bilden Muster im Spiel. Meine Minnie ist bei uns viel eher der Hase, Nayeli ist ihr zu lahm. Da sind die Pausen vielleicht kleiner, als ich sie mir bei anderen Hunden wünsche, aber die beiden haben ein System entwickelt.
- Wie gut kann ich die Hunde einschätzen? Je besser ich die Hunde kenne, desto eher kann ich entscheiden.
Vom 21. – 26.05. bekommst Du täglich eine Aufgabe in Dein Postfach, die Du leicht in Deinen Alltag integrieren kannst und mit der Gassi gehen endlich gechillter wird: Auch, wenn Ihr Hunde seht!
Wenn ich einschreite bei Hundespiel, dann nicht über Blocken oder Strenge. Der erste Schritt sind meine „Barometer-Signale“ und entspannende Maßnahmen. Denn mein Ziel ist es, dass meine Hunde mit plötzlichen „Tut-Nixen“ gut auskommen und die unsichere und plumpe Anmache des anderen nicht böse nehmen.