Leinenführigkeit: Spielen Rasse und Größe wirklich eine Rolle?

von Anke Tietz

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Leinenführigkeit ist für viele Hundehalter:innen ein wichtiges Thema. Egal ob Du einen kleinen Hund oder einen großen Hund hast, das entspannte Gassigehen an der lockeren Leine kann den Alltag erheblich erleichtern. Vielleicht hast Du Dich schon mal gefragt, ob die Größe oder Rasse des Hundes eine Rolle bei der Leinenführigkeit spielt? In diesem Artikel gehen wir genau auf diese Frage ein und geben wertvolle Tipps für das Training der Leinenführigkeit von kleinen und großen Hunden.

Leinenführigkeit – Wer geht mit wem spazieren?

Gehst Du mit Deinem Hund spazieren – oder geht Dein Hund mit Dir? Schlendert Ihr entspannt und gemütlich Eures Weges, die Leine locker, Dein Hund in Deiner Nähe, schnüffelt mal hier, mal da?

Oder ist der Spaziergang Schwerstarbeit? Zieht und zerrt Dein Hund, egal ob klein oder groß, und hängt sich so ins Geschirr, dass Dir die Arme weh tun und Deine Handflächen brennen? Du hast schon viel versucht in puncto Leinenführigkeit, aber es haut einfach nicht hin.

Vielleicht hast du Dich auch schon gefragt, ob die Rasse Deines Hundes eine Rolle spielen könnte, warum es mit der Leinenführigkeit einfach nicht klappen mag?

Welche Rolle spielt die Rasse beim Leinenführigkeitstraining?

Tatsächlich haben einige Rassen einen Ruf dafür, dass sie schwerer erziehbar sind oder dazu neigen, mehr an der Leine zu ziehen. Manche Hunderassen, wie z. B. der Husky, gelten als notorische Leinenzieher. Andere, wie der Dackel oder Herdenschutzhunde, haben den Ruf besonders eigenwillig und schwer erziehbar zu sein.

Im Gegensatz dazu gibt es Hunderassen, die als leicht erziehbar und gelehrig gelten und mit einem starken „will to please“ ausgestattet sind, wie der Collie, Border Collie, Retriever oder Labrador.

Doch bei der Leinenführigkeit kommt es vielmehr auf die richtige Herangehensweise an, als darauf, ob es sich um einen kleinen oder großen Hund oder eine bestimmte Rasse handelt.

Ich musste jedenfalls feststellen, dass mein Collie nicht leinenführig auf die Welt kam, sondern wie ein Ochse gezogen hat – bis wir bei Anders mit Hund gelandet sind und die Leinenführigkeit systematisch trainiert haben. Und es ist nicht so, dass ich vorher nicht schon einiges ausprobiert hätte.

Lernen und genetische Veranlagung

Rassenunterschiede existieren, dass lässt sich nicht leugnen. Angefangen von den äußerlichen Unterschieden, die nicht selten mit körperlichen Beeinträchtigungen einhergehen, bis hin zur Selektion auf ein bestimmtes Verhaltensrepertoire – Hunderassen unterscheiden sich in Aussehen und genetischer Veranlagung.

Dennoch ist die Genetik nur ein kleiner Teil dessen, was das Verhalten eines Hundes beeinflusst.

Egal ob kleiner Hund oder großer Hund, viel wichtiger sind die täglichen Lernerfahrungen, die jeder Hund macht. Denn Hunde lernen ständig, auch während des Leinenführigkeitstrainings – egal ob es auf Anhieb klappt oder nicht. Wenn Du mit Deinem Hund arbeitest und er zieht trotzdem, lernt er dabei etwas.

Er könnte beispielsweise lernen, dass er vorwärtskommt, wenn er nur stark genug zieht. Dies gilt sowohl für große als auch kleine Hunde – unabhängig davon, welche Rasse er ist. Dabei verknüpft er bewusst sein Verhalten (das Ziehen) mit dem Ergebnis (vorwärtskommen).

Neben dem bewussten Lernen spielt auch das unbewusste Lernen eine große Rolle. Dein Hund verbindet Emotionen und Erregung mit dem Ziehen an der Leine. Und diese Gefühle wirken sich auch wieder auf das Verhalten aus.

Du kennst es sicher von Dir selbst, dass durch gewisse Auslöser Gefühle in Dir hochkommen oder der Puls steigt, ohne dass Du darauf einen Einfluss hast.

Vielleicht hattest Du an einem unüberschaubaren Eck auf Eurer Gassistrecke schon ein paar echt blöde Begegnungen oder Du musst am Haus des Erzfeindes vorbei. Schlägt Dein Herz schneller, wenn Du dort ankommst? Nimmst Du schon im Vorfeld die Leine reflexartig kürzer und gibst von Deiner Seite her Zug auf die Leine?

Frustration beim Training

Frust ist oft ein Begleiter beim Training der Leinenführigkeit, egal ob Du einen kleinen oder großen Hund hast. Dieser entsteht insbesonders dann, wenn die Trainingsmethoden dem Hund vermitteln sollen, dass Ziehen nicht erwünscht ist, ihm aber nicht klarmachen, welches Verhalten alternativ von ihm erwartet wird.

Wenn Du zum Beispiel immer stehen bleibst, wenn Dein Hund zieht, um ihm zu zeigen, dass er mit ziehen nicht weiterkommt, dann besteht die Chance, dass genau das passiert. Viel wahrscheinlicher ist jedoch, dass daraus eine unendlich frustrierende Geschichte für Hund und Menschen wird.

Wenn Dein Hund bewusst versucht, ein anderes, für ihn lohnendes Verhalten zu zeigen, das nicht das Ziehen an der Leine ist – wie hoch ist die Chance, dass er genau das erwischt, was Du von ihm erwartest?

Zeigt er ein Verhalten, das sich für ihn auf irgendeine Weise lohnt – wie zum Beispiel Bellen oder ein Übersprungverhalten, das ihm ein gutes Gefühl gibt – landet direkt eine weitere unerwünschte Lernerfahrung auf seinem Konto.

Rassespezifisches Übersprungverhalten

Hier kann die Rasse und ein durch genetische Auswahl selektiertes Verhalten dann doch mit ins Spiel kommen. Diese Faktoren beeinflussen nämlich, welches Übersprungverhalten favorisiert wird.

Hunde, die aufs Packen selektiert sind, neigen eher dazu, als Übersprungverhalten in die Leine oder ins Hosenbein zu beißen, während bellfreudige Rassen häufiger ins Bellen verfallen. Ich betone hier den Wahrscheinlichkeitsfaktor, da auch hier die individuelle Lernerfahrung eine Rolle spielt – es kann also so sein, muss aber nicht.

Überforderung durch Reize

Falls Dein Hund gar nicht bewusst an der Leine zieht, sondern sich auf einem sehr hohen Erregungslevel befindet und gar nicht mehr klar denken kann, ist er auch nicht in der Lage, sein Verhalten bewusst zu ändern.

Möglicherweise ist Dein Hund jagdlich sehr motiviert und Ihr seid in einem wildreichen Gebiet unterwegs. Es liegen höchst spannende Hasen- und Rehgerüche in der Luft, die Wildwechsel locken …

Hier kann sowohl die genetische Veranlagung als auch die Lernerfahrung mit Wild und Spuren eine entscheidende Rolle spielen.

Wenn Dein Hund in einem jagdlichen Gebiet ohnehin schon auf einem hohen Erregungsniveau ist, an der Leine zieht, weil er einer Spur folgen will, und dann durch die Leine zusätzlich körperlich eingeschränkt wird, führt das zu erheblichem Frust. Dieser Frust steigert wiederum die Erregung.

Du siehst also – wie Du das Training der Leinenführigkeit gestaltest, ist viel wichtiger als die Hunderasse. Entscheidend sind dabei die Gestaltung des Trainingssettings, das richtige Equipment und das Vermitteln des Konzepts der lockeren Leine. Ein planvoller Aufbau in kleinen Trainingsschritten sorgt dafür, dass sowohl Mensch als auch Hund Freude am Training haben, Ihr Erfolgserlebnisse feiert und die gewünschten Lernerfahrungen gemacht werden.

Kleiner Hund vs. großer Hund: Unterschiede im Leinenführigkeitstraining

Natürlich spielt die Größe des Hundes eine Rolle bei der Leinenführigkeit. Ein großer, schwerer Hund, der an der Leine zieht, ist viel schwieriger zu halten als ein kleiner, leichterer Hund. Deswegen ist der Leidensdruck von Menschen mit großen, ziehenden Hunde oft größer als bei Kleinhundebesitzer:innen.

Umgekehrt leiden kleine Hunde, die an der Leine ziehen, genauso unter den Folgen wie große Hunde – vielleicht sogar noch mehr, weil das Thema nicht systematisch angegangen wird, solange der Mensch den Hund gut halten und das Problem mittels Kraft bewältigen kann.

Körperliche Belastung durch Leinenzug bei großen und kleinen Hunden

Leinenzug ist für beide – Mensch und Hund – ziemlich unangenehm. Für den Hund kann ein Geschirr bei starkem Zug die Bewegungsfreiheit der Schultern einschränken.

Viel schlimmer ist es mit dem Halsband, wo sich die Kraft auf eine sehr kleine Fläche verteilt. Möglicherweise hast Du schon einmal einen Hund gesehen, der so stark gezogen hat, dass er sich die Luft abschnürte – kein schöner Anblick.

Belohnungen und Körperhaltung im Leinenführigkeitstraining

Die Hundegröße spielt eine entscheidende Rolle, wenn Du Deinen Hund beim Leinenführigkeitstraining aus der Hand belohnen möchtest.

Ich bin relativ klein und habe einen großen Hund. Seine Schnauze befindet sich auf der perfekten Höhe, um ihn entspannt aus der Hand zu füttern, ohne dass ich mich bücken oder er sich recken müsste. Da haben es große Menschen mit kleinen Hunden viel unkomfortabler.

Und auch für die Hunde ist es nicht unbedingt angenehm. Gerade wenn die Belohnung über Rückenlinie kommt, kann das für Hunde mit Rückenschmerzen den Spaß ganz schön verleiden.

Allerdings wirft das die Frage auf, warum ich denn beim Leinenführigkeitstraining meinen Hund aus der Hand füttern sollte.

Die Wahl des Belohnungsortes hängt ja davon ab, was konkret trainiert werden soll. Und Leinenführigkeit bedeutet für uns bei Anders mit Hund, dass der Hund das Konzept der lockeren Leine versteht.

Er muss nicht an meinem Bein kleben oder an kurzer Leine neben mir gehen. Er darf und soll sich mit der Umwelt auseinandersetzen, schnüffeln dürfen oder stehen und wittern, solange die Leine dabei locker bleibt. Dafür ist es nicht nötig, dass die Belohnung aus der Hand kommt.

Leinenführigkeit für Hunde aller Größen und Rassen

Wichtig ist, dass das Training der Leinenführigkeit für kleine Hunde genauso wie für große Hunde so gestaltet wird, dass es für alle Beteiligten angenehm ist.

Niemand soll dabei Schmerzen haben oder sich unwohl fühlen. Menschen mit großen oder stürmischen Hunden sollen sich sicher fühlen. Neben dem richtigen Equipment ist ein gutes Leinenhandling essenziell – hier muss der Mensch ebenso trainieren wie der Hund.

Die Lerngesetze gelten für alle Hunde gleichermaßen, unabhängig von Ihrer Größe und Rasse. Deshalb arbeiten wir sowohl mit großen als auch mit kleinen Hunden nach einem klaren, strukturierten und schrittweisen Trainingsplan.

Wie das Training dann konkret im Einzelfall umgesetzt wird, ist dann wieder individuell unterschiedlich – kein Mensch-Hunde-Team ist wie das andere, jedes hat seine eigene Lerngeschichte, sein Lebensumfeld und seine Herausforderungen und Stärken.

Wenn Du genau erfahren möchtest, wie Du die Leinenführigkeit Deines kleinen oder großen Hundes verbessern kannst, dann ist unser Kurs „In vier Wochen zur Leinenführigkeit“ genau das Richtige für Dich. In diesem Kurs lernst Du Schritt für Schritt das richtige Leinenhandling, den optimalen Ort für Belohnungen und gezielte Übungen, um das Leinentraining effektiv zu gestalten.

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Anke Tietz

Ich bin Anke und Hundetrainerin aus Leidenschaft. Nach meinem ersten Leben als Wissenschaftlerin bin ich auf den Hund gekommen und habe den Hundesport für mich entdeckt.

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