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Der Leinenruck – ein kurzes, kräftiges Ziehen an der Leine – wird leider immer noch oft genutzt, um Hunden das Ziehen abzugewöhnen. Aus meiner Erfahrung im Hundesport weiß ich, dass auf manchen Hundeplätzen leider immer noch mit dem Leinenruck gearbeitet wird, um dem Hund ein schönes Fußlaufen beizubringen.
Unabhängig davon, dass es viel wichtiger ist, dem Hund zu zeigen, welches Verhalten erwünscht ist und das Training so zu gestalten, dass er es versteht und erfolgreich umsetzen kann, birgt der Leinenruck beim Hund auch ein großes gesundheitliches Risiko.
Da Du diesen Blog liest, gehe ich davon aus, dass Du es ohnehin „anders“ machen und gewaltfrei trainieren und auf positive Verstärkung setzen möchtest. Den Leinenruck beim Hund setzt Du sicher nicht bewusst als Erziehungsmittel ein, und doch passiert es hin und wieder – bei mir, bei Dir, bei uns allen.
In diesem Artikel erfährst Du, warum der Leinenruck gefährlich ist, welche Kräfte dabei auf den Hundehals wirken und wie Du Verletzungen vermeiden kannst.
Schleppleine am Halsband oder Geschirr?
Eine Freundin erzählte mir neulich, dass sie sich Onlinevideos zum Schleppleinentraining anschaut. Neugierig klickte ich auf eines der Videos – das mit einer Einleitung der Trainerin begann, wieso sie die Schleppleine am Halsband ihres Hundes befestige.
Überhaupt sieht man im Internet und auf Social Media in letzter Zeit vermehrt Bilder von Hunden mit langen Leinen, die an Halsbändern befestigt sind – selbst auf Tierheimseiten oder Werbebildern.
Daher haben wir uns entschlossen, das Thema genauer zu recherchieren und aufzuzeigen, welche Risiken damit verbunden sind. Unser Ziel ist es, Bewusstsein dafür zu schaffen, dass dies fahrlässig ist und den Hund einem unnötigen Verletzungsrisiko aussetzt.
Gefahren durch den Leinenruck beim Hund
Bereits vor zwanzig Jahren wurde in einer Studie ein Zusammenhang zwischen Leinenruck und Rückenproblemen bei Hunden festgestellt. Von über 400 untersuchten Hunden wiesen fast ein Drittel Schäden an der Halswirbelsäule auf. 90 % dieser Hunde waren bewusstem Leinenruck und/oder lang anhaltendem, starkem Zug an der Leine ausgesetzt.
Auch andere Faktoren, wie eine äußere starke Krafteinwirkung z. B. durch Verkehrsunfälle, könnten zur Schädigung der Halswirbelsäule beigetragen haben. Doch wenn man sich anschaut, welche Kräfte bei einem Ruck aufs Halsband wirken, liegt es nahe, dass der Leinenruck durchaus eine Rolle gespielt hat.
In den letzten Jahren wurden mehrere Studien durchgeführt, die die Krafteinwirkungen auf verschiedene Arten von Halsbändern am Hundehals untersuchten.
Dabei wurde festgestellt, dass schon bei Hunden, die eng geführt (also an der Seite der Versuchsperson) in die Leine sprangen, im Durchschnitt die gleiche Kraft auf das Halsband wirkte wie bei Hunden, die eine Person im Rollstuhl mit einem Gewicht von 77 kg zogen – etwa 30 N.
N steht für Newton und bezeichnet die Kraft, mit der ein Körper auf einen anderen Körper einwirkt. Bei einzelnen Hunden wurde sogar die doppelte Kraft auf dem Halsband gemessen. Um Dir das besser vorzustellen: Eine 1,2 kg schwere Wasserflasche, die aus einem Meter Höhe auf den Boden fällt, übt eine Kraft von 18 N aus.
Welche Kräfte wirken auf den Hundehals?
In einer weiteren Studie wurde an einem Modell untersucht, wie sich stärkere Krafteinwirkungen auf verschiedene handelsübliche Halsbänder auswirken.
Getestet wurde dabei ein dauerhafter Zug mit einer Kraft von 40 N, ein dauerhafter Zug mit 70 N (um Dauerziehen des Hundes zu simulieren) sowie ein heftiger, plötzlicher Leinenruck mit 131 N bis 155 N.
Je nach Breite und Material des Halsbands wurde ein unterschiedlich starker Druck auf das Hundehalsmodell ausgeübt.
Spitzenreiter war ein Halsband aus Tauwerk, das beim Leinenruck über 800 kPa und beim Zug mit 40 N immer noch 500 KPa Druck ausübte. (Der Druck, also die Kraft, die auf eine Fläche wirkt, wird in Pascal [Pa] gemessen.)
Am besten schnitten breite Lederhalsbänder und gepolsterte Kunststoffhalsbänder ab. Das Lederhalsband übte bei 40 N einen Druck von 85 kPa aus, während gepolsterte Kunststoffhalsbänder mit 100 bis 125 kPa etwas darüber lagen. Beide Halsbandtypen lagen ungefähr gleichauf und erreichten bei 70 N etwa 200 kPa und beim Leinenruck 300 kPa.
Zum Vergleich: Der Reifendruck der meisten Pkws liegt bei 300 kaP, und der maximale Druck in einem Schnellkochtopf bei 180 kPa. Schäferhunde der Polizei beißen bei einer gestellten Verfolgung mit über 300 kPa in den Beißarm.
Körperliche Schäden, die durch Druck verursacht werden, sind vor allem bei Pferden gut erforscht. Ein perfekt sitzender Sattel, der weder Druckstellen noch ernsthafte Verletzungen hinterlässt, übt einen Druck von maximal 24 kPa aus.
„Aber mein Hund springt nicht in die Leine!“
Bei einem Leinenruck wirken also große Kräfte auf den Hundehals. Diese sensible Region kann neben der bereits erwähnten Schädigung der Halswirbelsäule auch Verletzungen am Kehlkopf, an der Luftröhre, der Schilddrüse, an Haut- und Blutgefäßen sowie am Nervus Vagus (einem der Hirnnerven) erleiden.
Selbst wenn keine Verletzung davon getragen wird, ist ein Leinenruck zumindest schmerzhaft für den Hund.
Deshalb gilt: Leinen ab 3 m Länge sollten am Brustgeschirr befestigt werden! Doch wie kommt jemand überhaupt auf die Idee, eine Schleppleine am Halsband zu befestigen?
„Ich kenne meinen Hund, ich weiß, dass er nicht in die Leine springt“ hört man oft in dem Zusammenhang. Allerdings sind Hunde Lebewesen und keine Maschinen. Es gibt keine Garantie, dass nicht doch einmal etwas Unvorhergesehenes passiert, was selbst den bravsten, ruhigsten Hund verleiten könnte, nach vorne zu schießen.
Sei es ein Hase, der plötzlich aufspringt, eine Katze, die den Weg kreuzt, oder die unerwartete Begegnung mit dem Erzfeind. Vielleicht knallt es plötzlich, weil irgendwo geschossen wird, oder – wie bei uns während eines Trainings – ein Chemiewerk explodiert, was den Hund zu Tode erschreckt und die Flucht ergreifen lässt.
Stell Dir vor, Dein Hund trägt eine 5 m oder gar 10 m lange Leine am Halsband, die am Boden schleift, wie es oft der Fall ist. Der Hund schießt los, und Du trittst auf die Leine, weil Du das beim Schleppleinentraining womöglich so gelernt hast – oder die Leine bleibt an einem Ast hängen und bremst den Hund unsanft aus.
Bei kleinen, leichten Hunden reicht da schon ein Farn oder ein Grasbüschel, um sie zu stoppen. Sowohl ein Labrador als auch ein Shih Tzu können innerhalb von 2 m auf 13 km/h beschleunigen und innerhalb von 20 Metern Geschwindigkeiten von 30 km/h erreichen.
Was passiert, wenn Dein Hund sich an einer 10m-Schleppleine hinter Dir befindet, durchstartet, den vollen Leinenradius ausnutzt und auf knapp 30 km/h Highspeed beschleunigt – und dann plötzlich abgebremst wird, weil sich die Leine verfängt oder jemand drauftritt?
Stell Dir zur Veranschaulichung ein Auto vor, das mit 30 km/h gegen eine Wand fährt. Auf den 30 kg schweren Hund aus diesem Beispiel wirkt beim abrupten Stopp durch die Leine, bei einer angenommenen Kontaktzeit von einer halben Sekunde, eine Aufprallkraft von 500 N. Diese Kraft musst Du in etwa aufwenden, um 50 kg anzuheben. Je kleiner die Fläche ist, auf die sich diese Kraft konzentriert, umso größer ist der ausgeübte Druck.
Bei kleineren Hunden ist die Aufprallkraft aufgrund des geringeren Körpergewichts kleiner, allerdings verteilt sich diese auf die kleinere Fläche eines schmaleren Halsbandes. Je nachgiebiger das Material, umso länger ist die Abbremszeit des Hundes und desto weniger heftig ist der Ruck.
Fünf Tipps, um die Verletzungsgefahr für Deinen Hund zu minimieren
Was kannst Du also tun, um unbeabsichtigte Leinenrucke an der Schleppleine möglichst zu vermeiden oder zumindest die Verletzungsgefahr für Deinen Hund zu minimieren? Ganz verhindern kannst Du sie nicht – es kann immer passieren, dass die Leine sich verheddert, jemand darauf tritt oder doch mal in die Leine greift, wenn der Hund durchstartet.
Nutze ein Brustgeschirr statt eines Halsbands
Befestige eine Leine ab 3 m Länge am Brustgeschirr, nicht am Halsband. Sollte Dein Hund doch einmal einen Ruck abbekommen, verteilt sich so der dabei entstehende Druck auf eine größere Fläche und eine nicht ganz so empfindliche Region als den Hundehals. Wenn Dein Hund häufiger in die Leine springt, empfiehlt sich zusätzlich ein Ruckdämpfer an der Leine.
Lass die Schleppleine nicht schleifen
Auch wenn der Name Schleppleine suggeriert, dass sie auf dem Boden schleppt, ist es doch viel besser für den Bewegungsapparat Deines Hundes, wenn Du die Leine trägst und währenddessen auf- und abwickelst. Dadurch minimierst Du auch die Gefahr, dass jemand drauftritt oder sie irgendwo hängenbleibt.
Übe das richtige Handling der Leine
Übe das Leinenhandling, gegebenenfalls auch zunächst ohne Hund. Das Auf- und Abwickeln kann je nach Länge der Leine anfangs etwas schwierig sein. Mit etwas Übung machst Du das aber bald schon automatisch.
Bremse sanft ab
Versuche, Deinen Hund sanft anstatt ruckartig auszubremsen, sollte es nötig sein. Dafür empfiehlt es sich, die Leine mit beiden Händen zu halten und immer noch etwas gleiten zu lassen, anstatt einfach gegen die Bewegung des Hundes zu halten.
Gehe vorausschauend spazieren
Wenn Du merkst, dass die Erregung Deines Hundes steigt, weil vielleicht Wild in der Nähe sein könnte oder Euch andere Hunde oder Radfahrer entgegenkommen, kürze die Leine rechtzeitig ein und halte vielleicht auch eine Weile an. Beobachte, ob es bestimmte Situationen gibt, in denen Dein Hund dazu neigt, in die Leine zu springen, und trainiere dafür ein alternatives Verhalten.
Dein Weg zur Leinenführigkeit ohne Leinenruck
Du möchtest die Beziehung zu Deinem Hund verbessern und gleichzeitig die Verletzungsgefahr minimieren? Unser Kurs „In 4 Wochen zur Leinenführigkeit“ zeigt Dir, wie Du Deinem Hund auf sanfte und effektive Weise beibringst, entspannt an der Leine zu laufen – ganz ohne Leinenruck. Melde Dich jetzt an und erlebe, wie harmonisches Spazierengehen wirklich funktioniert!